Hallo ihr Lieben.
Hier ist wieder Milo, der Collie-Mix, der vor einiger Zeit bei Anna und Tom eingezogen ist.
Schön, dass ihr wieder dabei seid – ich habe euch viel zu erzählen.
Das war vielleicht eine Woche …
Erinnert ihr euch noch? Der dicke Bademantelmann steht immer noch in unserem Wohnzimmer. Er hatte inzwischen Gesellschaft bekommen – Kerzen auf allen möglichen Oberflächen, Tannenzweige, Glitzerzeug und dieses undefinierbare Weihnachtsgedöns, das Menschen offenbar jedes Jahr neu zusammensuchen. Dieser rote Mann rührt sich kein Stück, was ich mittlerweile als gutes Zeichen werte. Trotzdem hielt ich lieber Abstand. Man weiß ja nie, ob Weihnachten nicht doch Überraschungen bereithält, die plötzlich lebendig wurden.
Und während dieser rote Mann also weiter still im Wohnzimmer stand und mich täglich daran erinnerte, dass man nicht alles verstehen musste, begann die letzte Woche vor dem dritten Advent – und hier hatte sich einiges verändert.
Schon morgens lag eine andere Stimmung in der Luft. Nicht nur wegen der vielen Gerüche, sondern wegen dieser leichten Unruhe, die sich überall verteilte. Anna rannte den ganzen Tag von der Küche in den Keller und zurück und brabbelte irgendwas vor sich hin. Natürlich war ich immer hinter ihr her – ich hatte zuerst gedacht, sie rede mit mir.
Aus der Küche selbst kam ein schwerer, süßer Duft, der mir sofort in die Nase stieg und ganz bestimmt nicht nach etwas Essbarem roch. Oder jemand hatte Zuckerglasur auf meinen Lammtopf gegossen. Der Boden war bemehlt, die Luft viel zu warm für meinen Geschmack, und Anna bewegte sich zwischen Herd und Arbeitsfläche, als würde sie gegen die Zeit backen.
Alles passierte gleichzeitig, und genau das machte es so anstrengend.
Der Backofen piepte, Töpfe klapperten, draußen fuhr ein Auto vorbei, irgendwo schlug eine Tür. Gleichzeitig dudelte diese Weihnachtsmusik aus dem Wohnzimmer – dieses fröhliche Gebimmel, das sich nicht in den Hintergrund drängen ließ, sondern überall gleichzeitig zu sein schien. Ich saß in der Küchentür und beobachtete das alles, während ich versuchte, diese Eindrücke zu sortieren und herauszufinden, was davon Spaß machte und was dem Weihnachtsmann vielleicht die Hand reichte. Warum, in Hunde-Gottes-Willen, erzeugten Menschen freiwillig so viel Unruhe, um es sich – wie sie immer wieder sagten – „gemütlich“ zu machen?
Und als wäre das alles nicht schon genug gewesen, tauchte zwischendurch auch noch Tom auf. Immer wieder stolperte er in die Küche, sagte kein Wort, schnappte sich eines von Annas Gebäckteilen und verschwand wieder. Anna redete derweil die ganze Zeit mit sich selbst, lachte, fluchte auch mal leise und öffnete immer wieder den Backofen, obwohl sich der Inhalt sichtbar überhaupt nicht verändert hatte. Ich hielt lieber etwas Abstand. Es schien ohnehin nichts dabei zu sein, was mich dazu gebracht hätte, doch mal etwas vom Tisch zu stibitzen.
Also drehte ich mich um, warf noch einen kurzen Blick zum Bademantelmann und ging ins Schlafzimmer. Dort entschied ich mich erst einmal für eine Mütze voll Schlaf.
Als ich aufwachte, war es draußen schon dunkel. Aus dem Wohnzimmer hörte ich schnarchende Geräusche. Hm. Das musste ich mir ansehen. Die würden doch wohl mein Futter nicht mitgebacken haben? Also trottete ich ins Wohnzimmer – und da lagen sie, die beiden. Völlig erledigt und in tiefem Schlaf. Aha. Das war also der Sinn von Weihnachten.
So ging das natürlich nicht. Nach meinem Nickerchen hatte ich ganz schön Hunger, besonders bei diesem süßen Duft. War das jetzt mein Lammtopf oder doch nur ein Traum? Also beschloss ich, die beiden wachzubekommen. Und was funktionierte da besser als mein Quietschball? Anna und Tom jagten hoch wie der Blitz – und natürlich wurde ich dann sofort versorgt. Schließlich hatte ich meine beiden inzwischen ziemlich gut erzogen.
Ach ja. Und am Tag davor waren plötzlich Kartons im Wohnzimmer aufgetaucht. Einer nach dem anderen. Große, kleine, flache. Und dann diese riesige Rolle Papier, die beim Abrollen ein Geräusch machte, das einfach nicht ignoriert werden konnte. Ihr denkt es euch: Anna packte Geschenke ein. Ich beobachtete sie ganz genau, denn dieses Rascheln war schon ziemlich spannend.
Und dann – ganz bestimmt nicht zufällig – stellte Anna die Rolle für einen kurzen Moment beiseite und verließ den Raum. Das war mein Startschuss. Ich war zur Rolle hin, kippte sie um, und siehe da: Das Papier rollte sich aus wie ein Teppich. Hurra. Dieses Rascheln! Ich musste unbedingt die Reißfestigkeit testen. Was für ein Spaß.
Natürlich bekam Anna das sofort mit. Sie stürmte ins Zimmer, und ich dachte: Jetzt geht’s los. Ärger. Ganz bestimmt. Aber nein. Sie blieb stehen, schaute sich das Chaos an und reagierte völlig anders, als ich erwartet hatte. Sie knüllte die Papierschnipsel zu Bällen, warf sie in einen leeren Karton, streute Leckerlis dazu und stellte den Karton vor mich. Ich durfte suchen, zerreißen, graben. In diesem Moment beschloss ich endgültig, Weihnachten nicht mehr grundsätzlich abzulehnen.
Am nächsten Morgen, als ich noch ohne Böses zu ahnen in meinem Kuschelsofa gelegen hatte, roch ich schon von weitem diesen seifigen Geruch. Aha. Anna hatte wieder ihr Bedürfnis nach Sauberkeit entdeckt. Schwups – schon war der Wischer vor meinem Bett. Ich rettete mich schnell hinter den Bademantelmann. Zu irgendetwas musste der ja gut sein.
Später wurde das Wohnzimmer schon wieder umgestellt. Ihr wisst ja, wie ich das hasse. Alles stand plötzlich wieder woanders. Der Tisch wurde in die Länge gezogen, und die Anzahl der Stuhlbeine schien sich über Nacht vervielfacht zu haben. Ich lief vorsichtig durch den Raum, speicherte die neuen Wege ab und fragte mich, was das jetzt schon wieder sollte.
Nach unserem Spaziergang kehrte kurzzeitig ein wenig Ruhe ein. Gerade als ich in diesen herrlichen Hundetiefschlaf gefallen war, klingelte es. Natürlich war ich wieder der Erste an der Tür. Die Wohnung füllte sich schnell mit Stimmen, Mänteln und fremden Gerüchen. Beim dritten Besucher beschloss ich, dass das Schlafzimmer heute eindeutig der sicherere Ort war. Diese Lautstärke, dieses Gebrabbel und dann diese kreischenden kleinen Menschen mit ihren schnellen Bewegungen – das war mir alles zu viel auf einmal.
Ich war so froh, als es im Wohnzimmer endlich wieder leiser wurde. Da nahm ich doch lieber Vorlieb mit dem Bademantelmann. Und sag mal – war das bei euch auch immer so trubelig? Nannte man das entspannte und besinnliche Weihnachten?
Jetzt war es wieder ruhig im Haus. Der Duft hing noch in der Luft, irgendwo knackte das Holz, und der Bademantelmann stand wie immer an seinem Platz. Ich lag auf meinem Sofa, rollte mich zusammen und dachte darüber nach, dass Weihnachten für Menschen offenbar bedeutete, alles gleichzeitig zu wollen: Nähe, Gemütlichkeit, Ordnung – und bitte ohne Pause.
Ich glaubte, ich würde in dieser Zeit noch einiges lernen. Aber vielleicht lernten meine Menschen ja auch ein bisschen mit mir.
Denn wenn wir uns das nächste Mal hören, ist schon der vierte Advent.
Tom hatte neulich etwas von einem Baum gesagt.
Einen Baum, den man reinholt.
Mit all diesen guten Gerüchen.
Mitten ins Wohnzimmer.
Ich ahnte, das wird spannend.
Gute Nacht.
Euer Milo 🐾🎄


